„Ich war zuletzt im April unterwegs auf der Kurzstrecke, da haben wir noch Leute aus Risikogebieten abgeholt. Seither warte ich auf einen Dienstplan. Im Mai wurde ich auf Kurzarbeit gesetzt. Für mich persönlich begann die Corona-Krise aber schon im Januar in Shanghai, als wir erfuhren, dass die Stadt nicht so leer ist, weil Chinesisches Neujahr ist, sondern weil die Lage wegen Corona brenzlig wurde. Gleichzeitig fiel in Wuhan der Lockdown, und wir sollten das Hotel bis zum Rückflug nicht mehr verlassen. Schon auf dem Rückflug sind wir mit Masken an Bord geflogen, und das wurde dann ganz schnell Standard bei den Crews. Die Situation an Bord hat sich peu à peu verändert, bis auch alle Passagiere Masken tragen mussten.
Wir hatten SARS, wir hatten den 11. September, aber das, was uns hier jetzt um die Ohren fliegt, ist auf gut Deutsch der Wahnsinn und schockiert uns alle. Und dass es so lange dauert, damit hat niemand gerechnet. Es ist sehr zäh, wir müssen zäher sein und durchhalten.
Wir haben seit Beginn der Krise keine geplanten Dienste mehr, sondern nur noch Bereitschaftsdienste. Wir werden ganz spontan eingesetzt, es ist auf nichts mehr Verlass. Ich fühle mich manchmal sehr hilflos deswegen. Ich bin früher Krankenschwester gewesen und habe zunächst gedacht, das ist ein Grippevirus, das wird nicht so schlimm. Tatsächlich ist es zu einer Katastrophe geworden für so viele Branchen, wir sind da ja nicht allein. Trotzdem habe ich mich während des Lockdowns oft allein gefühlt. Ich bin mal für die Lufthansa hierher nach Frankfurt gezogen, dass ich dann auf einmal nicht mehr einfach zu meinem Vater nach Nordrhein-Westfalen oder zu Freunden konnte, das war schwierig für mich. Da war ich wirklich froh, dass ich den Kontakt zu den Kolleginnen in einer Whats-App-Gruppe und auf Facebook hatte. Da schrieb auch mal jemand nachts um halb zwei, „Leute ich kann nicht schlafen, ich habe einfach Angst“. Und da war dann immer jemand da, der auch wach war und geantwortet hat, „hallo, schreib mir, ruf mich an, lass uns reden“. Dieser Zusammenhalt ist großartig.
Wir sind alle sehr gut vernetzt, haben eine ganz große Facebook-Gruppe, in der von den 22.000 Beschäftigten mittlerweile 11.000 drin sind. Ich erhalte wie die meisten anderen Kurzarbeitsgeld, das derzeit auch immer noch etwas von der Lufthansa aufgestockt wird. Ich bin froh über das Kurzarbeitsgeld und hoffe, dass wir noch lange vom Thema Kündigung verschont bleiben.
Ich würde in meinen alten Beruf zurückkehren, wenn es die einzige Alternative bliebe. Das wäre ein bisschen ein Abenteuer, nach fast 24 Jahren zurück ins Krankenhaus zu gehen. Aber eigentlich möchte ich weiter fliegen. Ich mag diesen Beruf sehr, den täglichen Kontakt mit den unterschiedlichsten Menschen und gerade in der derzeitigen Situation auch mit den unterschiedlichsten Problemen: „Habe ich die richtige Maske auf?“ – „Oh, ich muss eine Einreisekarte ausfüllen, können Sie die bitte mal auf Italienisch übersetzen?“ Das finde ich großartig, das reizt mich. Es ist so vielschichtig, wie ich es bisher in keinem Beruf erlebt habe.
Ich stelle mir natürlich auch die Frage, wie wird das alles in Zukunft sein. Ich glaube, in den nächsten ein, zwei Jahren wird sich nicht viel verändern. Wir werden die Masken an Bord beibehalten, wir werden gewisse Regeln an Bord beibehalten. Wir haben anfangs den Service an Bord extrem runtergefahren, um den Kontakt zu den Fluggästen einzuschränken, damit sich niemand infiziert. Diese Maßnahme wird langsam zurückgefahren. Für den Tourismus ist das dennoch alles eine Katastrophe. Je mehr Ansagen von den Regierungen kommen, je mehr Risikogebiete ausgegeben werden, hält das die Leute zuhause. Als Krankenschwester verstehe ich das, ich würde auch sagen, bleibt besser zuhause. Als Lufthanseatin sage ich, bitte, bitte fliegt.“
Protokoll: Heike Langenberg, Petra Welzel